Was war, was ist jetzt und vor allem: wie geht’s jetzt weiter?
Seit etlichen Jahren wartet das ehemalige Rösler-Gelände auf eine neue Nutzung – seit einigen Jahren gibt es diesbezüglich Pläne – erst jetzt wurden diese Pläne abgelehnt – eine kurze Chronologie der Ereignisse:
2017
- Gemeinde plant, u.a. auch ein vielfältiges Gewerbegebiet
- Verhandlungen mit Kamps scheitern an der Kontamination
- Verwaltung sucht auf diversen Immobilienmessen nach einem Investor und findet irgendwann MLP.
- Verhandlungen und Planungen ohne direkte Einbindung der politischen Gremien oder Bürgerschaft.
Ende 2019
Wir lernen das Projekt MLP kennen. So wie MLP und Verwaltung die Pläne darstellten, schienen damit tatsächlich mehrere Probleme gleichzeitig gelöst werden zu können. Wir hatten grundsätzlich nichts gegen eine neue Industrieansiedlung. Vor allem aber stellten MLP und Verwaltung überzeugend dar, dass wegen der Altlasten nichts anderes als eine Versiegelung möglich sei. Vor diesem Hintergrund stimmten wir zu.
Februar 2020
Zustimmung im Rat, den Bebauungsplan einzuleiten.
Juni 2020
- Das Verkehrsgutachten wird vorgelegt.
- Als erste und einzige Fraktion im Planungsausschuss lehnen wir das ab.
- Die anderen Fraktionen schließen sich uns an.
- Alternativen zu der Planung, Nordtangente als Hauptroute zu nutzen, werden gefordert.
September 2020
- Der für den nächsten Planungsausschuss geplante Tagesordnungspunkt Verkehr/MLP wird gestrichen. Begründung: überarbeitetes Verkehrsgutachten liegt noch nicht vor.
- Der Planungsausschuss wird wegen plötzlicher Erkrankung des Vorsitzenden vollständig abgesagt.
Dezember 2020
Das lang erwartete Verkehrsgutachten – im Ergebnis praktisch unverändert – kommt in den Ältestenrat und wird erneut von uns abgelehnt.
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Für uns war zu dem Zeitpunkt klar: bei einer transparenten, ergebnisoffenen Darstellung aller Bedingungen hätten wir dem Projekt von Anfang an niemals zugestimmt. Aber die Verkehrsbelastung konnten wir ohne Gutachten nur vermuten, und keiner hat anfangs im Traum daran gedacht, den größten Teil des Verkehrs über die Nordtangente zu schicken.
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Was war dann plötzlich anders?
Nach der für uns äußerst erfreulichen Kommunalwahl hatten wir nicht nur über 30 % der Wählerstimmen und 11 Plätze im Rat, sondern auch unsere Fraktion hatte sich vergrößert. Wir hatten äußerst sachkundige und ausgewiesene Experten hinzugewonnen. Sie haben sich intensiv und vor allem konstruktiv mit allen Plänen und Unterlagen befasst. Und sie entdeckten immer neue Informationen und Argumente gegen den Logistikpark und für die Prüfung alternativer Entwicklungen/Planungen.
Wir stellten fest:
- Das Verkehrsproblem überfordert Schwalmtal hoffnungslos und bringt darüber hinaus unverantwortlich hohe Luft-, Lärm,- und Infrastrukturbelastungen. So entstehen Neulasten.
- Die Altlasten müssen nachhaltig saniert werden, eine Versiegelung löst das Problem nicht. Im Gegenteil: es wird für Jahrzehnte unmöglich, eine nachhaltige Lösung umzusetzen und die Grundwassergefährdung bleibt erhalten.
Daher will man wohl auch Altlastenversiegelung künftig nicht mehr erlauben.Hier waren wir ein wenig voreilig. Wir haben daher noch einmal recherchiert und erfahren, dass ein Referentenentwurf zum Thema Altlastenversiegelung in Vorbereitung sei, der aber noch nicht veröffentlicht wurde. Unsere Schlussfolgerung muss also lauten: Es ist noch nichts entschieden, aber denkbar, dass Altlastenversiegelung zukünftig nicht mehr erlaubt sein könnte. - Eine Versiegelung würde den Altlasten Neulasten hinzufügen.
- Weitere Gründe für die Logistikindustrieansiedlung seien Gewerbesteuereinnahmen und Arbeitsplätze – aber die laut Verkehrsgutachten 380 Arbeitsplätze sind in Relation zur Fläche von ca. 13 ha relativ wenig. Zu erwarten sind hauptsächlich Niedriglohnarbeitsplätze, da reine Logistiklager entstehen sollen. Die Tendenz bei diesen Betrieben neigt zur Automation, es sind also künftig geringere Arbeitsplatzzahlen zu erwarten. Die zu erwartenden Gewerbesteuereinnahmen tendieren ebenfalls bezogen auf die Fläche zu lächerlich kleinen Summen.
Wir diskutierten intensiv und ausdauernd, stimmten ab und entschieden uns in unserer Fraktionssitzung endgültig gegen den Logistikpark in Schwalmtal. Unsere Bedenken machten wir sofort öffentlich, denn wir hatten nun nicht mehr viel Zeit, der Planungsausschuss stand kurz bevor. Fortan taten wir alles, um die Öffentlichkeit zu informieren und den Logistikpark neben dem Schulzentrum noch zu verhindern.
Unsere Öffentlichkeitsarbeit trug Früchte, es gründete sich die Bürgerinitiative gegen den Logistikpark und die Resonanz in der Bevölkerung war überwältigend. An die 2000 Unterschriften wurden in nur einer Woche gesammelt, es gab eine Demo auf dem Markt, WDR Lokalzeit kam und es geschah, womit niemand gerechnet hatte – der Bürgermeister bezog Stellung und riet seiner Fraktion öffentlich, in der Ratsitzung gegen die Pläne zu stimmen. Und tatsächlich – in der Ratssitzung am 2. März 2021 hat der Rat der Gemeinde Schwalmtal mehrheitlich gegen das Projekt gestimmt:
- CDU: 4 dafür, 4 Enthaltungen, 8 dagegen
- Grüne: geschlossen (11) dagegen
- SPD: geschlossen (5) dagegen
- FDP: geschlossen (2) dafür
Wir haben uns sehr gefreut, dass sich letztendlich eine Mehrheit gegen die Pläne gefunden hat. Vor allem der fraktionsübergreifend geäußerte Konsens, jetzt in einen konstruktiven Dialog zu treten, ist erfreulich.
Erste Schritte in die Zukunft – das schlagen wir vor:
Die bisher vorliegenden Pläne sind abgelehnt. Wir Grünen teilen die hier formulierte Einschätzung der Bürgerinitiative und bleiben bei unserer strikten Ablehnung eines Logistikparks.
Es wäre sinnvoll gewesen, bereits lange im Vorfeld – also auch schon vor MLP – Arbeitsgruppen zu bilden. Das Wissen der Vielen war schon immer mächtig und hat schon oft geholfen. Das sollten wir jetzt unter Beteiligung von Verwaltung, Politik, Experten und Bürgerschaft unbedingt nachholen. Wir schlagen also vor, gemeinsam mit allen Ratsfraktionen Bürgerversammlungen zu etablieren. Dabei sollten wir unbedingt auch den Blick über den Tellerrand tun – von der Eifel bis nach Mecklenburg – wir haben ja nicht allein dieses Problem.
Wichtig wäre zunächst, eine ergebnisoffene Planungsgrundlage zu schaffen. Die Bodenbelastung muss flächig geprüft und die Eigentümersituationen geklärt werden.
Generell empfehlen wir qualitativen Kriterien für die Entwicklung Vorrang zu geben. Klasse statt Masse, lieber nachhaltige als schnelle Lösungen. Dafür gibt es sehr viele, gut vergleichbare Beispiele. Rheinland Pfalz hat von 1992-2015 688 (!) ehemalige militärische Liegenschaften in oft vorbildlichen Konversionsprojekten meist zu Gewerbeansiedlungen umgewandelt. Auch hier gab es sehr oft Altlastenprobleme. Vielfältige Mischungen verschiedener Gewerbe und Nutzungen sind am erfolgreichsten. Warum also nicht von anderen lernen?
Aus einem Konversionsbericht aus RLP:
„Meist sind die Gewerbeparks mit anderen Bereichen, wie Freizeit- und Sporteinrichtungen, Hotels oder Forschungsstätten kombiniert, um eine möglichst breite Aufstellung zu gewährleisten und Synergieeffekte zu schaffen. Eine breite Streuung des Angebots auf einer umzuwandelnden Fläche ist ein wirksames Mittel zur Begrenzung des wirtschaftlichen Risikos. Denn bei der Konzentrierung auf ausschließlich einen Bereich, ist ein Scheitern zwangsläufig gleichbedeutend mit dem Aus für das gesamte Projekt. Daher wurde das Konzept des Nutzungsmixes beim weit überwiegenden Teil der größeren Konversionsprojekte konsequent durchgeführt. Ein besonders erfolgreiches Beispiel hierfür ist der PRE-Park in Kaiserslautern. Dieser kombiniert Forschungs- und Technologieeinrichtungen, Gewerbe und Dienstleistungen mit einem Wohngebiet und diversen größeren Freizeiteinrichtungen.“
Fakt ist – wir unterstützen die Bürgerinitiative und lehnen fortan jeden Logistikpark auf dem Gelände ab. Mittlerweile sind wir überzeugt, dass die generelle Altlastensituation nachhaltig nur durch echte Sanierung gelöst werden kann und dass kein Verkehrskonzept so zufriedenstellend sein könnte, dass es einen Logistikpark mitten im Ort neben einem Schulzentrum rechtfertigt.