Grüner Montag mit Valentin Thurn: So schockierend wie motivierend.

Global denken – lokal essen – lokal düngen – nachhaltige Landwirtschaft: Woher kommt unser Essen von morgen? Das war das Thema des Abends, das der Autor und Filmemacher Valentin Thurn für uns vorbereitet hatte. Nachdem unser Sprecher Paul Lentzen ihn vorgestellt hatte, war aber allen klar – Valentin Thurn muss einen solchen Abend nicht mehr groß vorbereiten, er ist wahrlich ein ausgesprochener Experte auf dem Gebiet der Ernährung und insbesondere der Lebensmittelverschwendung und ganz sicher richtig in seiner Position als ehrenamtlicher Vorsitzender des Ernährungsrates Köln, der bei seiner Gründung der erste Ernährungsrat Deutschlands war.

Wegwerfen bitte verbieten

Thurn hat viele Filme gemacht, strukturierend für diesen Abend waren aber drei ganz bestimmte Produktionen. Es begann mit dem Film, der bereits 2011 in die Kinos kam und ihn bekannt gemacht hat: Taste the Waste. Wir schmeißen weltweit soviel Essen auf den Müll, man kann es kaum fassen:

Deutsche Haushalte werfen jährlich Lebensmittel für 20 Milliarden Euro weg – so viel wie der Jahresumsatz von Aldi in Deutschland. Das Essen das wir in Europa wegwerfen, würde zwei Mal reichen, um alle Hungernden der Welt zu ernähren.“

Deutschland ist leider noch weit davon entfernt, das Müllproblem in Sachen Lebensmittel in den Griff zu bekommen. Krass: Während es dem Handel in Ländern wie Frankreich oder Belgien verboten ist, Lebensmittel in den Müll zu werfen, steht es hierzulande offiziell immer noch unter Strafe, Lebensmittel aus dem Müll zu retten.

Der Film liefert aber nicht nur schockierende Zahlen, sondern zeigt auch, dass ein Umdenken stattfindet und dass es auf der ganzen Welt Menschen gibt, die sich für einen besseren Umgang mit unseren Lebensmitteln engagieren und viele tolle Ideen haben, die zeigen, wie es gehen könnte. Besonders setzt sich Valentin Thurn mit dem Ernährungsrat Köln auch dafür ein, dass Ernährung und Landwirtschaft/Gärtnern bereits in Kindergärten und Schulen ein Thema werden. Auch das Thema „Selbstversorgung“ in der Stadt – sie nennen es „essbares Wohnumfeld“ gehört zu den bereits heute erfolgreichen Projekten des Ernährungsrates Köln.

Eine weitere Idee, die Valentin Thurn nach ‚Taste the Waste‘ umsetzte, hat heute mehr als 360.000 Mitglieder und über 9000 Kooperationspartner: foodsharing.de vernetzt Menschen und Betriebe, die Lebensmittel vor dem Müll retten. Wer noch nicht dabei ist – schaut’s euch mal an!

Vor der eigenen Türe ernten

Die Weltbevölkerung wächst unaufhörlich, schon 2050 werden es zehn Milliarden Menschen sein. Schon heute hat jeder 6. nicht genug zu essen, wie soll es dann erst werden? Was muss die Landwirtschaft tun, um genug Nahrung für so viele Menschen zu erzeugen? Thurn berichtete von innovativen Ideen, wie man lokal vor Ort unsere Ernährung sicherstellen kann. Wir alle können etwas dafür tun, dass es gelingt. Thurn machte unmissverständlich klar, dass es so nicht weitergehen kann, dass etwas geschehen muss, um die Welternährung zu sichern. Und auch dazu hat er bereits einen Film gemacht: 10 Milliarden – wie werden wir alle satt?  kam 2015 in die Kinos.

Der Film sucht weltweit nach Antworten und Lösungen. Von der Großindustrie bis zum kleinen Bio-Bauern – es kommen dabei alle Seiten zu Wort. Und wieder ist auch hier die Quintessenz: es kann so nicht weitergehen, aber wir können etwas verändern. Wir müssen nur wollen.

Entscheidend ist, was hinten raus kommt

Zu diesem Schluss kommt der Film „Holy Shit“, der am 30.11.2023 in die Kinos kommen wird. Er zeigt: Eine verblüffend naheliegende Lösung liegt buchstäblich in uns allen. Die zentrale Frage lautet: „Können Ausscheidungen für den Anbau von Nahrungsmitteln genutzt werden und die drohende Düngerknappheit lindern?“

Valentin Thurn zeigte auch hier den Trailer des Films und nahm eine der Antworten vorweg: Es ist eine durchaus aussichtsreiche Alternative. Die Verwendung menschlicher Fäkalien ist ein denkbarer Weg im Kampf gegen Hunger und Klimawandel.

Wer jetzt denkt – ok, da müssen die Großen ran, wer hat schon eine Kompostieranlage zuhause? Das ist jetzt mal ein Thema, bei dem ich als Einzelne:r außen vor bin, der oder die irrt. Auch hier lieferte Valentin Thurn praktische Anregungen gleich mit: Was kann ich tun?  Angesichts der Tatsache, dass es bis dato noch illegal ist, kompostierte menschliche Ausscheidungen als Dünger in der kommerziellen Landwirtschaft zu verwenden, ist unser aller Aufgabe aber sicher zunächst, Druck auf die Politik zu machen, damit die Verwendung legalisiert wird.

Im Anschluss an den etwa einstündigen Vortrag schloss sich eine lebhafte Diskussion mit dem Publikum an. Zwei Aspekte stachen dabei besonders heraus – Bildung und Verbraucherverhalten. Mehrere Gäste beklagten, dass das Thema Ernährung in Schulen zu wenig Raum bekäm. Eigentlich gehörte es auf den Lehrplan und auch das praktische Erleben – gemeinsam kochen, gärtnern, ernten – gehört in die Schule. Und natürlich sollten die Speisepläne der Mensen dringend im Hinblick auf die Verwendung lokaler Lebensmittel und auf einen möglichst häufigen Verzicht auf Fleisch optimiert werden.

Ein Landwirt der Region mit Erfahrung in einem herkömmlichen und einem Bio-Betrieb berichtete eindrucksvoll aus der Praxis und appellierte an uns alle: Kauft regional, esst Gemüse und Obst dann, wenn es Saison hat. Der Handel wird nur reagieren, wenn die Kunden es einfordern. Wenn Erdbeeren im Dezember nicht mehr gekauft werden, werden sie bald im Winter auch nicht mehr verkauft werden. Sein wichtigster Satz galt uns allen als Verbraucher:innen:

Ihr habt die Macht!

In diesem Sinne: Nutzen wir sie!

Wir danken Valentin Thurn für diesen beeindruckenden Abend und wünschen dem neuen Film viel Erfolg!

Und wer nun noch mehr über Valentin Thurn erfahren will, findet hier einen detaillierten Beitrag, der sein großes Engagement und Wirken ausgezeichnet beschreibt.

Fotos: Werner Lüders